Babyboomer werden pensioniert, die alternde Bevölkerung benötigt Pflege und Betreuung, es folgen aber geburtenschwache Jahrgänge und der Fachkräftemangel dominiert den Arbeitsmarkt. Zeitgleich sind die Betten im Alp und Emmenfeld Betagtenzentrum belegt und die betagten Bewohnerinnen und Bewohner verdienen möglichst umfangreiche und persönliche Betreuung. Um der Thematik zukunftsgerichtet zu begegnen, entschied die BZE AG, die Ausbildungsplätze in Pflege und Betreuung bis 2026 zu verdreifachen. Damit dies gelingen kann, wurde die Bildungsstruktur an die zukünftigen Anforderungen angepasst. Die Bewohnerinnen und Bewohner dürfen indes schon heute von zusätzlicher Betreuungszeit durch die Auszubildenden profitieren.
Ein Donnerstagnachmittag im Emmenfeld Betagtenzentrum. In der Sitzinsel – einem geräumigen Aufenthaltsort mit Stühlen, Fernseher, einer Sitznische und einem Balkon – zentral zwischen den Zimmerfluchten angesiedelt, trifft man sich am Nachmittag. Heute gibt es Sirup, Tee und ein Stück Kuchen zum «Zvieri». Hier sind fünf Bewohnerinnen und Bewohner anzutreffen, die sich in gemütlicher Runde zum Schauen der «SchmuDo»-Umzugsübertragung zusammengefunden haben. Auch zwei Pflegefachfrauen sind dabei. Zusätzlich steht die Lernende Fachfrau Gesundheit, Abiramy Thirukumar, die im August 2023 ihre Ausbildung begonnen hat als Ansprechperson zur Verfügung. Ob Spaziergang, gemeinsames Fernsehen oder Vorlesen, ihre Kapazitäten können flexibel auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner abgestimmt werden, da sie als Lernende des ersten Lehrjahres nicht fix im Arbeitsplan eingeplant ist. Ein Luxus für alle Anwesenden, ob Pflegefachkraft oder Bewohnende, den es in manch einer Institution nicht gibt.
Mehrwert Vollzeitausbildnerinnen
Die BZE AG hat sich zum Ziel gesetzt, die benötigten Nachwuchsfachkräfte vermehrt selber auszubilden. Die Beschäftigung von Vollzeitausbildnerinnen unterstützt die effiziente Organisation der Bildung. Die vier Pflegefachkräfte sind zu 80% für die Lehrlingsausbildung im Einsatz. 20% arbeiten sie im Pflegealltag. Dies ist ein radikales Umdenken, wurde die Ausbildung von Lernenden bisher doch neben dem Pflegealltag ausgeführt. Die Lernenden können dabei maximal profitieren. Selina Graf ist eine der Berufsbildnerinnen. Sie empfindet die Veränderung als Gewinn: «Ich habe sehr viel mehr Zeit für die Lernenden. Ich bin täglich auf den Abteilungen und kann die Lernenden eng begleiten. Auch wenn ich im Büro bin, wissen sie, dass sie mich jederzeit ansprechen können.» Pro Haus sind zwei Berufsbildnerinnen zuständig – klare und konstante Ansprechpersonen geben Halt und Sicherheit. Durch die Trennung von Lehrlingsausbildung und Pflegealltag werden viel mehr zeitliche Ressourcen für die Begleitung der Lernenden bereitgestellt. «Wir sind persönlich und menschlich sehr nahe dran und können uns die Zeit nehmen, die es braucht», bestätigt Graf. Ob Unterstützung bei schulischen Themen oder bei Vermittlung und Integration im Team bis hin zu privaten Sorgen, wir Berufsbildnerinnen haben ein offenes Ohr und unterstützen, wo möglich.» Graf betont: «Lernende sind bei der BZE AG etwas Besonderes. Sie werden nicht abgegrenzt, sondern gehören ganz dazu.»
Zentralisierte Organisation
Silvia Stepat steht der Bildung der BZE AG vor. Regula Grillo fungiert seit September 2023 als Leiterin Bildung Pflege und Betreuung und koordiniert zentralisiert die Bildungsverantwortlichen –Haris Bosnic und Daniela Lazarevic –, die an je einem Standort für die Rekrutierung, Selektion und Begleitung von HF-Studierenden zuständig sind. Als Pendant für die Lernenden Fachfrau/-mann Gesundheit EFZ und Assistent/-in Gesundheit EBA wurden per Einführung der Bildungsstruktur vier Vollzeitausbildnerinnen eingesetzt. Auch sie werden von Regula Grillo koordiniert. «Lernende sollen nach den Jahren der Pandemie wieder Lust haben, in der Pflege zu arbeiten. Dabei sind motivierte Berufsbildner/innen, die ihre Rolle mit Herzblut wahrnehmen sehr entscheidend.» Für Grillo ist weiter klar: «Nur, wenn wir als Leitungsteam mit Leidenschaft für Ausbildung und Motivation beispielhaft vorangehen, können wir Gleiches beim Nachwuchs bewirken.» Ihr Ansatz: «Dies spricht sich herum und inspiriert weitere junge Menschen, eine Ausbildung in der Pflege bei der BZE AG zu beginnen.» Ihr Team führt sie auf Augenhöhe. Flache Hierarchien, Mitspracherecht und Coaching sind für sie wichtig, um Spass bei der Arbeit zu fördern und nachhaltige Erfolge mit der neuen Bildungsstruktur zu erzielen. «Natürlich ist noch nicht alles perfekt. Aber das Gerüst steht auf einer soliden Basis. Nun geht es an die Feinjustierung. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns für die Zukunft aufstellen.» Ein wichtiges Anliegen in der Ausbildung: Einerseits soll die Eigenverantwortung der Lernenden gesteigert werden, andererseits soll auch der Austausch unter den Lernenden der verschiedenen Ausbildungsstufen gefördert und im Sinne einer Peer-to-Peer-Förderung gelebt werden.
Maximale Steigerung der Ausbildungsqualität
Monatlich wird in der neuen Bildungsstruktur Pflege und Betreuung eine Praxisschulung für die Lernenden des Jahrgangs durch die Berufsbildnerinnen veranstaltet. Ein Thema wird dabei aufgegriffen, praxisnah angeschaut und einheitlich vermittelt. «Die Praxisschulungen fördern auch die Zusammenarbeit unter den Lernenden», so Selina Graf. Zusätzlich erfolgt ein monatliches Lerntraining auf jeder Abteilung. Drei Lernende werden hier von einer Berufsbildnerin direkt beim Bewohner/bei der Bewohnerin angeleitet und begleitet. Und dies ausserhalb der Alltagsroutine. Auch dies ermöglicht ein vereinheitlichtes Übermitteln von Arbeitsabläufen und Richtlinien. Zusätzlicher Bonus: Die Lernsituationen entlasten den Pflegealltag auf der Abteilung entscheidend und sorgen für weniger Hektik.
Alle gewinnen
Bis dato waren Lernende zu einem höheren Prozentsatz in den Pflegealltag auf den Abteilungen eingeplant. Dies reduziert sich mit der neuen Bildungsstruktur. Lernende sind damit auf den Abteilungen, aber weniger regulär eingeplant. Spielraum entsteht. Stephanie Huber, Teamleitung Pflege und Betreuung im Emmenfeld Betagtenzentrum ist froh um die Entlastung: «Die neuen Lernenden, die seit August bei uns sind, sind angekommen und werden jetzt zu einer echten Entlastung.» Betreuungsaufgaben wie Handbäder machen, Spiele spielen, spazieren gehen oder Gespräche führen können die Lernenden selbständig machen und so ihre Fähigkeiten im Umgang mit den Betagten üben. Auch einfachere Pflegeleistungen wie Anziehen der Stützstrümpfe oder Essenseingabe entlasten sehr. Abiramy Thirukumar, Lernende Fachfrau Gesundheit im ersten Lehrjahr, schätzt genau diese Kombination. «Einerseits läuft man mit der Pflege mit, um zu lernen, andererseits darf man Selbständigkeit üben.»
Zum Wohle der Bewohnerinnen und Bewohner
Das Aufstocken der Lehrstellen in der Pflege soll den Bewohnerinnen und Bewohnern im Alp und Emmenfeld Betagtenzentrum zu Gute kommen. Alle Anstrengungen folgen schliesslich dem Kernziel einer möglichst hohen Lebensqualität im Alter. Die Bescheidenheit der Kriegsgenerationen ist gross. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner wollen niemandem zur Last fallen. So sitzt Herr Heer vor den Liften seiner Abteilung und meint: «Was ich selber machen kann, will ich selber machen. Aber ja, die neuen Lernenden habe ich bemerkt. Sie sind sehr nett, freundlich und hilfsbereit.» Frau Bucher fordert Kulanz: «Verständnis soll man dafür haben, dass sie noch lernen. Ich finde es schön, wenn ich etwas beitragen kann und finde es gut, dass hier ausgebildet wird. Ich denke da an meine eigenen Mädchen zurück, die auch mal in der Ausbildung waren.» Noemi Stambolija ist Lernende Fachfrau Gesundheit im ersten Lehrjahr und in ihrer Aufgabe angekommen: «Die Bewohnerinnen und Bewohner haben viele schönen Charaktereigenschaften. In jedem und jeder findet man etwas von sich selbst.» Sie geniesst es, in den Sitzinseln Zeit zu verbringen: «Wir haben an den Nachmittagen mehr Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner. Horoskope lese ich gerne vor oder wir schauen zusammen eine Tierdokumentation», so Stambolija. Sie übernimmt auch Teerunden oder räumt im Bewohnerzimmer einen Schrank auf; alles Tätigkeiten, die erledigt werden müssen und so entschleunigt werden. Bei jeder der Aktivitäten bleibt Zeit für ein wenig Austausch mit den Betagten. Frau Ozlberger ist eine Bewohnerin, die weniger oft bei den Sitzinseln ist. Sie könnte sich aber gut vorstellen, wenn die Temperaturen wärmer werden, mit einer Lernenden einen Spaziergang zu unternehmen.
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