Weitsicht im Alter: Vorsorgliche Anmeldung zahlt sich aus

Burga Lütolf, Manuela Bucheli* und das Ehepaar Stäubli* sind Bewohnende im Alp und Emmenfeld Betagtenzentrum der Betagtenzentren Emmen AG (BZE AG). Alle hatten sie eine vorsorgliche Anmeldung bei der BZE AG hinterlegt. Wie es zu einer solchen Anmeldung kam, erzählen uns ganz individuelle Geschichten. Dass es hilfreich war, wird hingegen einstimmig und ungeachtet der Umstände bejaht und empfohlen. 

Das Thema vorsorgliche Anmeldung in einer Alters- und Pflegeeinrichtung wird stiefmütterlich behandelt und geht einher mit der gesamtgesellschaftlichen Tabuisierung des letzten Lebensabschnittes. Wohl finden sich Anmeldeformulare auf Webseiten von Institutionen, eine Auseinandersetzung mit der Thematik bleibt allerdings aus. Viele Seniorinnen und Betagte mögen sich nicht damit auseinandersetzen, was geschieht, wenn das Leben zu Hause von immer mehr Nachteilen überschattet wird. Dass eine vorsorgliche Anmeldung unverbindlich ist und eigentlich nur einem ersten Schritt in der Auseinandersetzung mit dem älter werden gleichkommt, wird dabei verdrängt. Es gibt kein pauschales Erfolgsrezept, um sich auf den Schritt in eine Alterseinrichtung vorzubereiten. Es ist ein Prozess – eine zunehmende Auseinandersetzung mit Bedürfnissen und der Praktikabilität des Alltags. Stimmen von vorsorglich Angemeldeten, der Bewohneradministration der BZE AG, von Pflegefachkräften und der Spitex sprechen sich für die positiven Aspekte einer vorsorglichen Anmeldung aus und wollen Betagte und Angehörige dazu ermutigen, sich der Thematik anzunähern.

«Ich wollte ins Alp Betagtenzentrum gehen, bevor ich auf Pflege angewiesen bin. Wenn es einem nicht mehr gut geht, kann man im Betagtenzentrum auch nichts mehr aufbauen.»
Burga Lütolf, Bewohnerin Alp Betagtenzentrum

Weitsicht in der Planung 
«Ich möchte meinen Aufenthalt bei der BZE AG geniessen», konstatiert Burga Lütolf. Die 85-jährige Dame sitzt in ihrem Zimmer im Alp Betagtenzentrum am Tisch und kreiert Quilling-Formen aus farbigen Papierstreifen. Pflegeunterstützung benötigt sie kaum. «Ich wollte ins Alp Betagtenzentrum gehen, bevor ich auf Pflege angewiesen bin. Wenn es einem nicht mehr gut geht, kann man im Betagtenzentrum auch nichts mehr aufbauen.» Die Abteilung ist jetzt ihr Zuhause: «Die Pflegemitarbeitenden, das Servicepersonal und die Mitbewohnerinnen und -bewohner sind ein Teil meiner Familie geworden, mit denen ich zusammen lebe.» Burga Lütolf ist seit Oktober 2022 Bewohnerin im Alp Betagtenzentrum. Mit ihrer vorsorglichen Anmeldung vor über 10 Jahren ist sie wohl eher eine Ausnahme. Seit 1981 alleinstehend, war ihre Weitsicht eine Kombination aus Vorsorge und klarem Standortwunsch. Mit Patrica Brauchli, Mitarbeiterin der Bewohneradministration der BZE AG, erledigte sie die Formalitäten persönlich und hinterlegte ihr Anliegen, zu gegebener Zeit in der Alp wohnen zu wollen. Als das tägliche Kochen im Stehen zunehmend beschwerlich wurde, fragten die Kinder nach einem möglichen Heimeintritt. «Der Kopf war noch nicht bereit», erzählt Frau Lütolf. Zwischenzeitlich wurde im Alp Betagtenzentrum ein Zimmer frei. Sie lehnte ab. Im Herbst 2022 eine weitere Chance; nun war die Zeit reif und die betagte Dame siedelte mit gutem Gefühl in ihr neues zu Hause über.

«Meine 15-jährige Erfahrung zeigt, dass Hemmungen im persönlichen Kontakt schneller abgebaut werden. Viele haben den Aha-Effekt, sind positiv überrascht vom Leben bei uns.»
Patricia Brauchli, Mitarbeitende Bewohneradministration BZE AG

Schicksalsschlag ruft nach Veränderung
«Die Decke ist mir immer mehr auf den Kopf gefallen; schlafen konnte ich nicht mehr gut. Irgendwann konnte ich nicht mehr essen, weil ich einfach immer einsamer wurde.» So beschreibt Manuela Bucheli die Zeit nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns. Am Anfang konnte sie es kaum glauben, dass sich der Schicksalsschlag ereilt hatte. Beim Betreten der Wohnung rief sie – wie jahrzehntelang gewohnt – in die vertrauten vier Wände: «Babi, ich bin wieder da», nur um zu realisieren, dass der Ruf die vertrauten Ohren nicht mehr erreichen würde. Die 85-Jährige vermisste ihren verstorbenen Lebenspartner, worüber sie auch die Töchter nicht hinwegtrösten konnten. «Eines Tages stand ich vor das Bild meines verstorbenen Mannes und bat ihn um Hilfe. Danach habe ich meinen Töchtern gesagt, ich wolle ins Altersheim und ein Zimmer anschauen. » Die Töchter stellten eine andere, kleinere Wohnung zur Diskussion, was jedoch für Manuela Bucheli keine Option war. «Ich wollte nur noch einmal umziehen und zwar ins Emmenfeld Betagtenzentrum.» Zu dritt nahmen sie eine Hausbesichtigung wahr, woraufhin eine der Töchter die vorsorgliche Anmeldung erledigte und so bereits die bürokratischen Belange regelte. Drei Monate später wurde ein Zimmer mit Blick auf den Pilatus im 3. Stock frei, Frau Bucheli griff zu: «Jetzt fängt etwas Neues an. » Seit wenigen Wochen lebt sie nun im Emmenfeld Betagtenzentrum. Nach der kurzen Zeit kann die rüstige Seniorin wieder ruhig einschlafen und geniesst es, mit anderen zusammen Mittag zu essen.

Im Doppelschritt in die Zukunft
«Für uns war immer klar, dass wir zusammen ins Betagtenzentrum gehen», so Herr Stäubli. Seit 66 Jahren sind Stäublis ein Paar. Seit 2020 geht es bei den hochbetagten Eheleuten (beide sind 93) turbulent zu. Der Sturz von Herr Stäubli im Shoppingcenter zog einen Oberschenkelbruch nach sich. Nach zweiwöchigem Reha-Aufenthalt mit seiner Frau war für Herr Stäubli klar: «Ich muss nach Hause, um zu kochen und meinen Teil im Haushalt wieder übernehmen. » Zu Hause dann das nächste Unglück; ein Kochunfall führt zum erneuten Bruch des Oberschenkelknochens. Diesmal folgt ein sechswöchiger Aufenthalt des Paars in einer Institution; anschliessend Spitex-Betreuung und Mahlzeitendienst zu Hause. Bewegen können sie sich nur noch mit dem Taxi. Insgesamt ein beschwerlicher Alltag, der einem auch mal «ablöscht», wie Frau Stäubli feststellt. Rund sechs Monate vor den Turbulenzen hatten sich Herr und Frau Stäubli aufgrund des Ansinnens einer Enkelin, die in der Gesundheitsbranche tätig ist, dem Thema vorsorgliche Anmeldung angenähert. Frau Stäubli sagt: «Die Enkelin hat ein wenig «gestüpft», damit wir die vorsorgliche Anmeldung machen. Sie fand es wichtig und konnte uns begleiten und Fragen klären. Sie hatte recht. » Wir haben dann Zimmerbesichtigungen abgemacht und uns alles angeschaut. In der vorsorglichen Anmeldung war der explizite Wunsch ein Ehe-Doppelzimmer im Emmenfeld zu bewohnen zentral. Patricia Brauchli konnte entsprechend reagieren, als ein solches (die Zahl der Doppelzimmer ist beschränkt) tatsächlich im Juli 2022 verfügbar wurde. «Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt», so Herr Stäubli. Frau Stäubli jedoch ist froh, hatte ihr Gatte doch jüngst erneut einen Sturz. «Wäre die Pflege nicht gleich da gewesen, wäre es vermutlich kritisch geworden. » Ansonsten sind sie sehr selbständig, gehen spazieren und nehmen am Aktivierungsprogramm teil. Zwei befreundete Ehepaare führen sie regelmässig aus, inklusive Übernachtung.

Empfehlung

- Alle Wunschinstitutionen zuerst besichtigen, das gibt Sicherheit und die Möglichkeit, Fragen zu  
  klären.
- Wenn gewünscht, auch vorsorgliche Anmeldung bei mehreren Institutionen hinterlegen
- Eine vorsorgliche Anmeldung ist unverbindlich.
- Es macht Sinn, die vorsorgliche Anmeldung nach fünf Jahren zu erneuern.

www.bzeag.ch/betreuung-pflege/kosten-anmeldung

Notfalleintritte, Ängste und Hemmungen
Eintritte ins Betagtenzentrum erfolgen heute viel später als noch vor 10 Jahren; entsprechend akut und unter Zeitdruck finden diese oft statt. «Notfalleintritte haben stark zugenommen ebenso wie Temporäreintritte», so Patricia Brauchli, Mitarbeiterin der Bewohneradministration der BZE AG. Peter Glanzmann, Leiter Finanzen, Administration und ICT BZE AG, ergänzt: «2022 hatten wir 226 Eintritte. Das sind bei 302 Betten ein bis zwei Eintritte pro Arbeitstag. 2018 waren es erst 85.» Das Durchschnittsalter der Bewohnenden bei der BZE AG liegt bei 85 Jahren. «Viele betagte Menschen beschäftigen sich explizit nicht mit dem Eintritt in eine Institution, also ist auch eine vorsorgliche Anmeldung kein Thema», so Brauchli weiter. Das bestätigt auch Irene Kneubühler, Geschäftsleitung Spitex Emmen: «Vorsorgliche Anmeldungen in stationäre Settings werden meines Erachtens noch zu wenig gemacht. Wir machen die Erfahrung, dass die Klientinnen und Klienten dem Thema gegenüber passiv sind; dennoch löst die Thematik Ängste aus.» Auch Jennifer Bersier, Co-Leiterin Pflege und Betreuung Alp Betagtenzentrum hat eine ähnliche Erfahrung: «Trotz Unverbindlichkeit der vorsorglichen Anmeldung ist die Hemmung gross. » Und doch: Rund 500 vorsorgliche Anmeldungen sind bei der BZE AG per dato hinterlegt, jährlich kommen zirka 100 dazu. Die Zahl der eingehenden Anmeldungen nimmt aber eher ab als zu. Eine Trendwende scheint (noch) nicht erreicht.

Klare Empfehlung: vorsorgliche Anmeldung, unbedingt
Ob frühzeitige Abklärungen von privat betreuenden Ehepartnerinnen oder -partnern oder sich sorgenden Kindern; ob wegen Einsamkeit, eingeschränkter Mobilität, eines Lebens alleine, einer Step-by-Step Heranführung in schwierigen Situationen oder ob Paare, die gesundheitlich noch gut «zwäg» sind, vom Hotelservice profitieren möchten – die Gründe für eine vorsorgliche Anmeldung sind vielfältig. Wichtig ist, sich dem Thema Eintritt in eine Institution anzunähern und das möglichst frühzeitig. Patricia Brauchli: «Es gibt Menschen, die das Formular ausfüllen und uns zuschicken. Öfters geht der unverbindlichen vorsorglichen Anmeldung aber eine Haus- bzw. Zimmerbesichtigung voraus. Mit diesem Vorgehen finden so erste Kontakte statt und wir lernen einander kennen. Man kann in einem persönlichen Rahmen Fragen stellen und klären, auch finanzieller Natur. Ängste können besprochen werden. » Weiter gibt Patricia Brauchli zu bedenken: «Meine 15-jährige Erfahrung zeigt, dass Hemmungen im persönlichen Kontakt schneller abgebaut werden. Viele haben den Aha-Effekt, sind positiv überrascht vom Leben bei uns. » Mit der vorsorglichen Anmeldung ist viel Bürokratie bereits erledigt und entlastet bei einem ungeplanten Akuteintritt. Die ohnehin herausfordernde Eintrittssituation wird damit entscheidend von administrativer Last befreit. Darüber sind Betagte und Angehörige oftmals gleichermassen froh.

*Namen auf Wunsch der Bewohnenden geändert.

Dieser Artikel erscheint ebenfalls in der Emmenmail-Ausgabe vom 28.06.2023.

27. Juni 2023